22.01.2024
Zu Tisch bei Jakob

Wolf schließt die Haustür hinter sich zu.

Heute macht er sich mit seinem Einkaufstrolley auf den Weg in die Stadt.

Erst die Einkäufe,

anschließend „Zu Tisch bei Jakob“.

Dort gibt es ein warmes Mittagessen mit Nachtisch und eine Tasse Kaffee.

Das alles für 4 Euro.

Aber der Preis ist nicht, was für ihn zählt.

Früher hatte Elfriede, seine Frau, jeden Tag Mittagessen gekocht.

Linsensuppe, Kartoffeln mit Quark, Königsberger Klopse – sein Lieblingsessen.

Nichts Großes.

Viel Geld hatten sie nie.

Aber sie waren genügsam und hatten sich.

Dann ist Elfriede gestorben.

Heute kocht niemand mehr für Wolf.

Und für sich selbst, denkt er, lohnt es sich nicht.

Heute ist Wolf zu Tisch bei Jakob.

Kirchengemeinde und Diakonie in Weimar laden ein

in den Jakobssaal in der Stadtmitte.

Dort sitzen sie an großen Tischen.

Es wird einfach aufgerückt.

Niemand weiß,

neben wem er sitzen wird.

Hier kommen Menschen ins Gespräch, die sich sonst kaum begegnen:

Senioren, Handwerker, der Architekt in der Mittagspause.

Sie alle sitzen an festlich gedeckten Tischen.

Weiße Tischdecke, Blumen, gefaltete Servietten.

Ehrenamtliche servieren das Essen.

Wolf lässt es sich schmecken.

Das hilft – gegen das Frieren an Leib und Seele.

Und gegen die Einsamkeit.

Heute gibt es Königsberger Klopse.

Und ein Lächeln auf den Lippen.

Eine gute Nacht wünscht Pfarrer Ramón Seliger, evangelisch und aus Weimar.


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